Über die Gründung einer berufsständischen Vertretung sollen Pflegefachkräften zukünftig mehr Selbstverantwortung und Gestaltungsmöglichkeit zuteilwerden. Warum die Gründung einer eigenen Pflegekammer in Baden-Württemberg für die Weiterentwicklung und Aufwertung des Pflegeberufes unverzichtbar ist, erläuterten drei Experten im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Winnenden vor Medienvertretern.
Nach der Verabschiedung des baden-württembergischen Landespflegekammergesetzes im Mai 2023 hat ein Gründungsausschuss, besetzt mit Fachkräften verschiedener Pflegebeschäftigungsfelder, die Vorbereitung der Ständevertretung übernommen.
Geschäftsführer des Gründungsausschusses für eine Pflegekammer Baden-Württemberg ist Ronny Brosende. Als gelernter Altenpfleger hat er vor seiner Verbandstätigkeit selbst praktische Erfahrung im Pflegeberuf gesammelt. Gemeinsam mit ZfP-Pflegedirektor Klaus Kaiser und Cornelia Cantiani, Ausbildungsleiterin für das Betriebliche Ausbildungswesen in der Pflege und Botschafterin für die Bildung einer Landespflegekammer, beleuchtete Brosende die Rahmenbedingungen für das weitere Gründungsverfahren und die Ziele der Pflegekammer.
In der auf 18 Monate angelegten Errichtungsphase müssen noch einige Hürden genommen werden, bevor die Pflegekammer – wie im Gesetzentwurf vorgesehen – spätestens Anfang 2025 mit einer demokratisch legitimierten Grundlage ihre Arbeit aufnehmen soll. Auf der Agenda des Gründungsausschusses stehen daher die Registrierung der Pflichtmitglieder und die Vorbereitung zur Wahl der ersten Vertreterversammlung. Es gilt, mindestens 60 Prozent der zukünftigen Pflichtmitglieder, also rund 66.000 von derzeit etwa 110.000 im Land beschäftigten Pflegefachkräften für die Pflegekammer zu gewinnen, damit die Wahl zur ersten Vertreterversammlung überhaupt stattfinden darf. Nachdem die Meldung der beschäftigten Pflegefachpersonen durch die Gesundheitseinrichtungen im Land nunmehr abgeschlossen ist, werden die Angaben derzeit ausgewertet. Zu Beginn des Jahres 2024 erhalten dann sämtliche gemeldeten Pflegefachpersonen ein Schreiben mit Informationen zum weiteren Verlauf und der Möglichkeit des Widerspruchs. Sollten sich mehr als 40 Prozent der Angeschriebenen gegen das Vorhaben aussprechen, endet der Errichtungsprozess und es wird keine Pflegekammer im Land geben.
Die drei Pflegeexperten stellten klar, dass sie sich nach Kräften dafür einsetzen werden, die bei Teilen der Pflegekollegen und Pflegekolleginnen noch vorhandenen Vorbehalte gegenüber einer Pflegekammer auszuräumen. Mit Blick auf seine persönliche Berufserfahrung bezeichnete Ronny Brosende die Etablierung einer eigenen Lobby des Pflegeberufs, vergleichbar mit der Ärztekammer, als längst überfällig. Auch Klaus Kaiser erinnerte daran, dass der Bedarf einer pflegespezifischen Standesvertretung bereits seit langem zur Debatte stehe. „Wir waren noch nie so nahe daran, die dringend benötigte einheitliche Stimme nach außen zu bekommen. Die Pflegekammer ist eine historische Chance für den gesamten Pflegeberuf.“
Dem pflichtete auch Cornelia Cantiani bei und verwies auf die organisatorische Zersplitterung, die bis heute vorherrsche: „Unterschiedliche Organisationen vertreten die Pflege, angefangen vom Berufsverband DBfK über den Pflegerat bis hin zu verschiedenen Fachverbänden. So kommen wir nicht weiter! Wir brauchen eine einzige, schlagkräftige Standesvertretung, in der alle Berufsangehörigen Mitglied sind und durch die uns endlich eine Selbstverwaltung und Mitsprache auf politischer Ebene gelingt“, zeigte sich die Botschafterin für die Bildung einer Landespflegekammer überzeugt.
Im ZfP Winnenden gibt es bereits für die Beschäftigten in der Pflege – mit Abstand die größte Berufsgruppe in der Belegschaft – umfassende Informationsangebote zu dem Vorhaben. Durchgeführt werden Dialogtermine mit den Stationsteams, direkte Gespräche mit einzelnen Beschäftigten sowie die Thematisierung im Rahmen von Veranstaltungen wie etwa Praxisanleiter- oder Psychiatrische Fachpflegekonferenzen.
Die drei Experten waren sich einig, dass vom Gelingen der Pflegekammergründung nicht weniger als die Zukunft des Pflegeberufs abhänge. Dazu gehöre auch die öffentliche Wahrnehmung der Pflege, die dringend positive Impulse benötige. Nur über den Weg einer starken Ständevertretung könne sich im Pflegesektor ein neuer Berufsstolz entwickeln und der dramatische Rückgang der Ausbildungsinteressierten sowie der Trend zur Flucht aus dem Pflegeberuf umgekehrt werden, so der gemeinsame Appell.
Weitere Informationen gibt es auch im Web unter pflegekammer-bw.de. Gesundheitseinrichtungen im Rems-Murr-Kreis können sich bei Interesse an einer Informationsveranstaltung bei Cornelia Cantiani gerne melden. Anfrage per E-Mail an: C.Cantiani@zfp-winnenden.de.