Mit dem neuen Behandlungsprogramm „KoKoS“ setzt die Klinik für Suchttherapie im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Winnenden neue Maßstäbe in ihrem Fachgebiet. Das Kürzel steht für „Kontrollierter Konsum von Substanzen“, ein innovativer Ansatz zur Suchtbehandlung, der ab August erstmals im deutschsprachigen Raum in tagesklinischer Form in Anspruch genommen werden kann. Die Winnender Suchtexperten bieten abhängigkeitserkrankten Menschen mit diesem zusätzlichen Baustein in ihrem breiten Behandlungsspektrum eine Alternative zur lebenslangen Abstinenz als herkömmlichem Therapieziel.
Das neue Programm richtet sich insbesondere an Konsumenten von Alkohol, Medikamenten, illegalen Drogen oder Glücksspiel, die wieder Kontrolle über ihr Leben und ihren Alltag erlangen möchten, sich aber eine vollständige Abstinenz nicht vorstellen können. Auf dem Weg zum kontrollierten Konsum leben die Programmteilnehmer weiterhin zu Hause, besuchen jedoch von Montag bis Freitag die Tagesklinik, wo sie von einem spezialisierten suchttherapeutischen Team aus unterschiedlichen Berufsgruppen unterstützt werden.
Dabei gilt die Regel: Konsum ist nur außerhalb der Klinik und außerhalb der Therapiezeiten gestattet.
„In der Suchtmedizin erleben wir immer wieder, dass Suchterkrankte, die sich Unterstützung wünschen, von der vermeintlich alternativlos anzustrebenden Abstinenz abgeschreckt werden. Dabei verfügen wir heute über Erkenntnisse, die nahelegen, diese Hürde abzubauen und einen Paradigmenwechsel in der Suchttherapie voranzutreiben. Mit unserem zieloffenen Ansatz und der Anerkennung der persönlichen Willens- und Handlungsfreiheit verfolgen wir eine konsequent patientenorientierte Herangehensweise. Abhängig von der individuellen Entscheidung können wir die Therapieteilnehmenden sowohl auf dem Weg zu völliger Abstinenz als auch zu kontrolliertem Konsum effektiv begleiten,“ erläutert Chefarzt Dr. Christopher Dedner.
Das Programm KoKoS umfasst zehn Module, die zunächst in der Tagesklinik und anschließend in ambulanten Gruppen angeboten werden. Essenziell sind die individuelle Zielsetzung und das Führen eines genauen Tagebuchs. „Patientinnen und Patienten legen selbst fest, wie viel sie konsumieren möchten und wie viele konsumfreie Tage sie einhalten wollen“, betont Oberärztin Dr. Julia Pach. „Wir respektieren das persönliche Autonomiebedürfnis und erkennen den Patienten als Experte für seine eigene Erkrankung an.
Im Rahmen der KoKoS-Therapie wird jede Reduktion des Konsums als Erfolg gewertet; Rückfälle werden gemeinsam mit den Patienten als „Konsumereignisse“ analysiert, um daraus zu lernen. „Auf diese Weise erleben wir eine aufrichtige Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Patienten“, berichtet die langjährige Stationsleiterin Christine Stein. Marius Jenner, ihr pflegerischer Kollege, ergänzt: „Ein besonderer Vorteil unseres Angebots ist auch die Flexibilität, die es den Patienten ermöglicht, zwischen den Therapiezielen kontrollierter Konsum und Abstinenz zu wechseln. Es kann vorkommen, dass jemand, der mehrfach suchterkrankt ist, bei der einen Substanz Abstinenz anstrebt und bei einer anderen zu einem kontrollierten Konsum gelangen möchte. Gleichwohl gibt es Fälle, in denen ein geplantes limitiertes Konsumverhalten nicht gelingt. Dann halten wir jegliche therapeutische Unterstützung bereit, um dem Patienten den Weg zur nachhaltigen Abstinenz zu erleichtern.“
KoKoS richtet sich an alle Menschen im Erwachsenenalter, die etwas an ihrem Konsum verändern möchten – unabhängig davon welche Substanz oder welche Verhaltensweise im Vordergrund steht. Die Therapiekosten werden von den Krankenkassen übernommen. Interessierte können sich telefonisch unter 07195 900-2890 an die Psychiatrische Institutsambulanz der Klinik für Suchttherapie wenden und eine Erstberatung vereinbaren.